Leipzig (ots) –
Ein Betondeckel ist alles, was vom Kali-Schacht übriggeblieben ist. „Hier war der Turm, hier habe ich gekämpft. Hier habe ich die Flagge gehisst“, resümiert Herbert Kindler. Die Bilder vom Hungerstreik im Sommer 1993 gingen um die Welt. Die Kumpel von Bischofferode kämpften damit verzweifelt um ihr Kaliwerk. Es war aber auch ein Protest gegen die Privatisierungspolitik der Treuhand. Wie geht es den Menschen in Bischofferode heute? Die Antwort gibt es in der Doku „Schicht im Schacht – Bischofferode, der Hungerstreik und die Folgen“. Zu sehen am 28. Juni in der ARD Mediathek und am 29. Juni, 22.40 Uhr im MDR-Fernsehen.
„Die Leute sind gallig“, sagt Bergmann Herbert Kindler. Und das auch noch 30 Jahre nach dem Hungerstreik in Bischofferode. Mit der Schließung des Kaliwerks „Thomas Münzer“ 1995 ging in der kleinen Eichsfeldgemeinde eine Ära zu Ende und der Ort verlor ein Stück Identität. Kindler hatte Glück im Unglück. Erst 2013 – bis dahin wurde alles gesichert und rückgebaut – legte er seinen Arbeitsplatz still. Dieses Glück hatte nicht jeder. Daraus resultierten Zank und Streit zwischen den Kumpels. Und der schwelt bis heute.
Herbert Kindler hat das all die Jahre zu spüren bekommen. Er war Bergmann durch und durch, Bischofferode seine Heimat. Und der Kalischacht lange sein zweites Zuhause. Über Generationen haben die Kindlers mit dem Salz ihren Lebensunterhalt verdient. Schachthauer Herbert Kindler war der Letzte. Denn: „Auf der Grube ist der Deckel – da ist nichts mehr“, erzählt der Familienvater.
Bernd Schmelzer hat es nicht so gut getroffen: Er war Maschinist für Aufbereitungs- und Förderanlagen im Werk und spontan eingesprungen, als die ersten Kumpel ihren Hungerstreik aufgeben mussten. Für ihn wie für alle anderen ging es um alles. Sie sahen keinerlei Perspektive. Drei Wochen lag er im Hungerstreik neben den Kumpels – bis sein Körper streikte.
Es ging nicht nur um die Existenzen, sondern um die ganze Region. Zwei Jahre Beschäftigungsgarantie trotzten die Kumpel der Politik mit dem Streik ab. Doch danach kam das Unausweichliche, die Kündigung – auch für Bernd Schmelzer: „Viele sind weggegangen. Viele sind dem Alkohol verfallen. Ja, wir haben auch viele Freunde verloren, die weggezogen sind. Irgendwie ging es so langsam bergab. Wir sind ja quasi wirtschaftlich das Outback.“
Der Film kehrt zurück in die dramatischen Wochen des Hungerstreiks 1993, zeigt die Menschen und den Ort vor 10 Jahren – 20 Jahre nach dem Hungerstreik. Und er trifft Familie Kindler und andere auch 2023 wieder. Was machte die Schließung der Kaligrube mit den Menschen und mit der Region? Wie lief es mit der Neuorientierung? Was macht das mit dem Gemeinschaftssinn?
Bereits um 20.15 Uhr am 29. Juni beleuchtet der Film „Bischofferode – Das Treuhand-Trauma“ im MDR-Fernsehen innerhalb des MDR-Doku-Sommers den Hungerstreik, die Schließung des Kaliwerks und die Trauhand. Zu Wort kommen dabei die Hungerstreikenden selbst, Bergleute und Arbeiterinnen, dazu Politiker und Politikerinnen wie Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Rita Süssmuth, Kirchenvertretende und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie nicht zuletzt Wirtschaftslenkende, die Einblick hatten in die Treuhand-Verhandlungen.
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